Zusammenfassung der nationalen „Umgebungsvision”

Vor Ihnen liegt die nationale „Umgebungsvision“ (Nationale Omgevingsvisie - abgekürzt NOVI), in der der niederländische Staat eine Langzeitstrategie für die künftige Entwicklung des Lebensraums in den Niederlanden aufführt.
In den Niederlanden stehen wir vor einer Reihe dringender gesellschaftlicher Aufgaben, die sowohl auf lokaler als auch auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene eine Rolle spielen. Große und komplexe Aufgaben wie Klimawandel, Energiewende, zirkuläre Wirtschaft, Erreichbarkeit und Wohnungsbau werden die Niederlande stark verändern. Wir haben eine lange Tradition der Anpassung. Diese Aufgaben nutzen wir, um voranzukommen und gleichzeitig die Schönheit der Niederlande für die Generationen nach uns zu erhalten.
Mit der NOVI bieten wir eine Perspektive, wie wir diese großen Aufgaben angehen können, um unser Land gemeinsam schöner und stärker zu machen und dabei auf der vorhandenen Landschaft und den (historischen) Städten aufzubauen. Umgebungsqualität ist der Kernbegriff: das heißt, räumliche Qualität ebenso wie Umweltqualität, und zwar unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Werte und inhaltlicher Normen, beispielsweise für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt. In diesem Zusammenspiel von Normen, Werten und kollektiven Zielsetzungen zielt die NOVI auf die Zusammenarbeit aller Beteiligten ab.
Die NOVI stellt eine neue Vorgehensweise dar: integral, zusammen mit anderen Gebietskörperschaften und gesellschaftlichen Organisationen, und mit mehr Regie durch den niederländischen Staat. Mit einer jeweils sorgfältigen Interessenabwägung arbeiten wir an unseren Prioritäten: Platz für Anpassung an den Klimawandel und für die Energiewende, nachhaltiges und wirtschaftliches bzw. zirkulärwirtschaftliches Wachstumspotenzial, starke und gesunde Städte und Regionen und eine zukunftsfähige Entwicklung des ländlichen Raums.
Die nachhaltige Erneuerung der Niederlande ist ein langfristiger Prozess. Die aktuellen Ereignisse appellieren aber auch an unsere Fähigkeit, uns schnell auf Entwicklungen in der Gesellschaft einzustellen.
Beispielsweise zeigt uns die COVID-19-Pandemie, wie anfällig wir sind. Momentan arbeitet das Kabinett an einer Konjunkturpolitik. Es ist wichtig, dass diese Konjunkturpolitik auch unseren langfristigen Zielsetzungen für eine nachhaltige Gesellschaft dient. Kurzfristige Problemlösungen sind dann im Einklang mit der in der NOVI dargelegten strategischen Zielsetzung. Das ermöglicht die Nutzung sogenannter „Synergiechancen“, beispielsweise durch die Entscheidung für Konjunkturmaßnahmen, die nicht nur zur Gesundheit beitragen, sondern auch zur Verstärkung der Nachhaltigkeit und zur Qualität des Lebensraums.
Für die vier oben genannten NOVI-Prioritäten gilt jeweils, dass sowohl lang- als auch kurzfristig Maßnahmen erforderlich sind, die in der Praxis in einer ständigen Wechselbeziehung zueinander stehen:
- So haben wir jetzt in den Niederlanden bereits längere Dürreperioden. Dadurch wird es dringend, dass wir den Wasserverbrauch besser auf das verfügbare Wasser abstimmen und dass Wasser im Boden länger festgehalten wird. Dies ist ein Beispiel für die jetzt schon erforderlichen notwendigen Entscheidungen, die große Auswirkung auf die physische Umwelt haben. Funktionen, welche die physische Umwelt nutzen, müssen stärker auf die Eigenschaften des Boden-Wassersystems abgestimmt werden. Diese Entscheidungen tragen zu einer klimabeständigen Einrichtung im Jahr 2050 bei, mit der wir die Niederlande auf Klimawandel und Meeresspiegelanstieg vorbereiten. Nehmen wir auch einmal die Energiewende: sie erfordert jetzt schon Entscheidungen, bei denen wir langfristige Auswirkungen berücksichtigen. Auf See suchen wir Platz für Windkraftanlagen. Die kürzlich getroffene Vereinbarung für die Nordsee zeigt, dass dabei auch viele andere Interessen eine Rolle spielen. An Land ist die Hauptinfrastruktur für Transport und Speicherung nachhaltiger Energie in einigen Gebieten manchmal jetzt schon nicht ausreichend. Nach 2050 steigt der Anteil an nachhaltiger Energie aber immer weiter. Dann sind viel mehr Änderungen an der Infrastruktur für Energie erforderlich. Auch in Bezug auf Platz für die Quellen nachhaltiger Energie selbst stehen wir vor einer großen Aufgabe. In der NOVI geben wir daher Richtungen an, die bei der Eingliederung von Energieinfrastruktur Aufmerksamkeit für die Qualität des Lebensraums erfordern.
- Im Zuge der COVID-19-Pandemie arbeiten wir hart an einer weitestgehenden Begrenzung der Folgen für unsere Wirtschaft. Kurzfristig erfordert dies unvergleichliches staatliches Eingreifen und unvergleichliche staatliche Investitionen. Die Herausforderung liegt darin, den Nutzen von Eingreifen und Investitionen auch unserer langfristigen Zielsetzung zufließen zu lassen, indem wir nämlich dafür sorgen, dass wir unsere Wirtschaft und Energieversorgung nachhaltig und konsequent ressourcenschonend machen und die Qualität unseres Lebensraums verbessern. An den Standorten von Bürogebäuden, Industriegeländen, umfangreichen Logistikfunktionen und Datenzentren berücksichtigen wir außer der Frage von Unternehmen und wirtschaftlicher Vitalität, der Anbindung an das Verkehrs- und Beförderungsnetz und dem Stromnetz auch die Attraktivität und Qualität von Stadt und Land. Dabei setzen wir auf aktive Gruppierung von (umfangreichen) Logistikfunktionen an Logistik-Knotenpunkten auf nationalen und internationalen Korridoren.
- Mit der NOVI bauen wir an starken, attraktiven und gesunden Städten. Wir arbeiten an der Weiterentwicklung des „städtischen Netzwerks der Niederlande“. Das ist unser Wachstumsziel und außerdem wollen wir ein gut erreichbares Netzwerk aus Städten und Regionen realisieren. Der große aktuelle Wohnungsbedarf erfordert gleichzeitig aber kurzfristige Lösungen. Das Kabinett hat daher ein kurzfristiges Maßnahmenpaket vorgeschlagen, um dem Wohnungsbau einen neuen, kräftigen Impuls zu verleihen. Die Standorte befinden sich im städtischen Netzwerk der Niederlande. Die Entwicklung erfolgt im Einklang mit den Zielsetzungen der integralen Verstädterungsstrategie: weitestgehend in bestehenden städtischen Gebieten, klimabeständig und naturinklusiv. Große offene Flächen zwischen den Städten behalten ihren grünen Charakter. Angebot und Qualität der Grünflächen in der Stadt werden verstärkt und der Anschluss an das grüne Gebiet außerhalb der Stadt wird verbessert. Die COVID-19-Krise betont noch stärker die große Bedeutung einer guten Einrichtung des öffentlichen Raums.
- Die Stickstoffproblematik trifft sowohl den ländlichen Raum als auch verschiedene Wirtschaftszweige besonders stark. Der Wert unserer Natur, die Landschaft und die Zukunft der Landwirtschaft stehen unter Druck. Dabei ist die Verbesserung der Biodiversität nicht nur eine ökologische, sondern ausdrücklich auch eine wirtschaftliche Herausforderung, die schon kurzfristig tatkräftiges Vorgehen erfordert. Dauerhafte Lösungen brauchen jedoch Zeit. Langfristig arbeiten wir daher an einer allmählichen und sorgfältigen Umverteilung des ländlichen Raums und konzentrieren uns dabei unter anderem auf zirkuläre Landwirtschaft mit gutem Gleichgewicht zwischen Natur und Landschaft. Dies trägt zu einem ländlichen Raum bei, in dem Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung angenehm sind und der jetzt und in Zukunft Platz für wirtschaftlich vitale Landwirtschaft als bedeutendem Träger des ländlichen Raums bietet.
Kurzum, wir stellen uns den Aufgaben und arbeiten weiterhin strategisch an den langfristigen Aufgaben.
Mit all unseren Zielsetzungen verlangen wir unserem Lebensraum viel ab. Viele verschiedene Interessen und Ansprüche müssen auf der gut 41.000 Quadratkilometer großen Fläche der Niederlande Platz finden. Nicht alles ist möglich und nicht alles ist überall möglich. Manchmal kommt es dann zu Engpässen. Die Frage ist, wie wir Chancen verwerten und etwaige Bedrohungen bewältigen: was ist zur Verwirklichung unserer Zielsetzungen erforderlich? Der niederländische Staat muss und will in diesem Prozess die Führung übernehmen. Knappheit bedeutet, dass wir uns entscheiden müssen. Durch die NOVI macht der niederländische Staat Rahmenvorgaben und weist die Richtung für nationale und dezentrale Entscheidungen. Allerdings sieht der niederländische Staat dabei für sich keine zentralisierende Rolle vor. Ganz im Gegenteil, die Verantwortung tragen alle beteiligten Parteien gemeinsam. Der niederländische Staat strebt die Regie des Zusammenspiels und die Regie bei der Überwachung der nationalen Interessen an. Dilemmas wird nicht aus dem Weg gegangen. Chancen erzeugen wir gerade dadurch, dass wir uns gemeinsam ambitioniert an die Arbeit machen. Diese Chancen sollen die Qualität unseres Lebensraum verbessern. Das betrifft auch Chancen zur Förderung von sozialem Zusammenhalt und Konjunkturaufschwung sowie zur festen Verankerung sauberer, sicherer und nachhaltiger Techniken – die zum beabsichtigten Übergang zu einer nachhaltigen und zirkulären Gesellschaft beitragen – in unserer Art zu leben und zu arbeiten.
Wir stellen allerdings die nationalen Interessen klar heraus, treffen nationale Entscheidungen, legen die Richtung dezentraler Erwägungen fest und arbeiten außerdem gebietsbezogen. Mit der NOVI wollen wir in konkreten Gebieten Entscheidungen erreichen. Wir wollen dasjenige tun, das für die gesamten Niederlande gut ist und gleichzeitig der Eigenheit der Regionen gerecht wird. Denn wichtig sind die gesamten Niederlande.
Obiges erfordert ein gutes Zusammenspiel zwischen niederländischem Staat, Provinz, Wasserbehörden und Kommunen, aber auch zwischen Gebietskörperschaften und Unternehmen, gesellschaftlichen Einrichtungen und Bürgerinnen und Bürgern. Daher wurden all diese Parteien schon beim Zustandekommen der NOVI aktiv in die Prozesse einbezogen. Bei der Ausführung der NOVI, beispielsweise in den Umgebungsagenden und den regionalen Investitionsagenden, setzen wir die Zusammenarbeit fort.
Im Mittelpunkt der Interessenabwägung steht eine ausgewogene Nutzung der physischen Umwelt, und zwar sowohl über der Erde als auch unter der Erde. Wir sprechen hier von „umgebungsinklusiver“ Politik. Die NOVI unterscheidet dabei drei Abwägungsprinzipien: 1) Aufgabenkombinationen haben Vorrang vor einfachen Aufgaben, 2) Merkmale und Identität eines Gebiets stehen im Mittelpunkt, 3) Keine Abwälzung. Der niederländische Staat wird bei der Ausführung der NOVI sichtbar machen, wie der umgebungsinklusive Ansatz gestaltet wird und wie die Abwägungsprinzipien genutzt werden.
Regie bedeutet auch, dass wir bei Erwägungen anderer Gebietskörperschaften mittels so genannter bevorzugter Reihenfolgen eine Richtung vorgeben. Ein konkretes Beispiel: wir bevorzugen die Anbringung von Solarzellen auf Dächern und Fassaden von Gebäuden, doch wenn das nicht möglich ist, kommen ungenutzte Grundstücke in der bebauten Umgebung in Betracht. Ist auch das keine Möglichkeit, dann richten wir unsere Blicke auf den ländlichen Raum. Durch die NOVI bestimmt der niederländische Staat die Richtung für eine zukunftsfähige Entwicklung unseres Lebensraums, ohne einen Blaudruck aufzuzwingen. Zusammen mit allen Partnern werden wir immer wieder prüfen müssen, wie wir uns am besten auf aktuelle Entwicklungen einstellen können: die NOVI ist ein zyklischer und adaptiver Prozess. Aus diesem Grunde ist mit diesem Zielsetzungsdokument eine Überwachung verknüpft.
Zur NOVI gehört eine Ausführungsagenda, die veranschaulicht, wie der niederländische Staat seine Rolle bei der Ausführung der NOVI gestaltet. In der Ausführungsagenda finden Sie unter anderem einen Überblick über Instrumente und (gebietsbezogene) Programme in den verschiedenen politischen Bereichen. Die Ausführungsagenda wird gegebenenfalls jährlich aktualisiert.
Transport, Industrie, Wohnungsbau, Mobilität, Einzelhandel und landwirtschaftliche Tätigkeit: Anpassung an den Klimawandel, die Energiewende, der Übergang zur Kreislaufwirtschaft und die Stickstoffproblematik treffen uns alle und überall in den Niederlanden. Unterirdisch und überirdisch, Land und Meer, Stadt und ländlicher Raum – alles ist unlöslich miteinander verbunden. Die neue Arbeitsweise der NOVI ist eigentlich ein Aufruf zu einem Kulturwandel: um eine zusammenhängende und inspirierende Auffassung über unseren Lebensraum zu erhalten.
Auf dem Weg ins Jahr 2050 werden die Niederlande als Netzwerk untereinander gut verbundener Städte und Regionen funktionieren, die von einem schnellen, nachhaltigen und komfortablen Mobilitäts- und Transportsystem getragen werden. Gleichzeitig wird es in Städten und auf den Dörfern allmählich immer stärkere Verflechtungen zwischen Wohnen und Arbeiten, Natur, Landschaft und Einrichtungen geben. Wir wohnen in größerer Nähe zu unserer Arbeit und können mehr zuhause arbeiten, es gibt mehr Grün in unserer unmittelbaren Wohnumgebung und wir gehen mehr spazieren, joggen oder wandern und fahren mehr mit dem Fahrrad. Probleme der Digitalisierung und Mobilität/Erreichbarkeit stehen damit in engem Zusammenhang.
Unabhängig davon wo wir in den Niederlanden wohnen, unsere Interessen sind eng miteinander verbunden und reichen oft über den lokalen Bereich hinaus. Gleichzeitig bestimmt die Qualität unseres täglichen Lebensraums unsere Auffassung über die großen Herausforderungen unserer Zeit.
Mit der NOVI präsentiert der niederländische Staat eine integrale, auf Zusammenarbeit ausgerichtete Vorgehensweise. Ein gebietsbezogener Abwägungsrahmen und zugleich eine lenkende Strategie, innerhalb derer wir gemeinsam an der Aufrechterhaltung gesunder, wirtschaftlich starker Niederlande mit guter Lebensqualität arbeiten können.
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